Betreff
Richtlinien zur Vergabe von städtischen Baugrundstücken für Ein-, Zweifamilien- und Doppelhäuser
Vorlage
WP 21-26/0241
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Sachverhalt / Begründung:

 

Mit der Vorlage WP 16-21/0556 wurden im Jahr 2019 die Vergaberichtlinien städtischer Baugrundstücke für Einfamilienhäuser sowie die Evaluation dieser Vergaberichtlinien nach drei Jahren beschlossen. Das Vergabeverfahren nach dem Losprinzip wurde in den letzten drei Jahren in drei Baugebieten durchgeführt. Da es sich bei den Baugebieten jedoch um recht kleine Baugebiete handelt, wurde hier jeweils nur das vereinfachte Losverfahren angewandt. Das heißt, alle Bewerber wurden gleichgestellt und in einem Lostopf abgebildet, wodurch das reine Losglück über die Vergabe der Grundstücke an die jeweiligen Bewerber entschieden hat. Das in 2019 beschlossene Verfahren mit zwei Lostöpfen und einer möglichen prozentualen Aufteilung der Grundstücke konnte bis dato noch nicht durchgeführt werden, sodass auf Grund mangelnder Erkenntnisse und Durchführungserfahrungen keine stichfeste Evaluation möglich ist.

Die Verwaltung möchte mit der Erarbeitung der hier vorgelegten Richtlinien dem vielfach an sie herangetragenem Wunsch Rechnung tragen, insbesondere Bramscher Bürgerinnen und Bürger den Kauf von Baugrundstücken zu ermöglichen.

 

Diese Richtlinie soll grundsätzlich auf die Vergabe von städtischen Baugrundstücken für Ein-, Zweifamilien- und Doppelhäuser Anwendung finden, aber andere Vergabeverfahren nicht ausschließen. Veräußerungen nach dem Bieterverfahren, also einem Verkauf nach Höchstgebot, oder nach dem Konzeptverfahren, mit durch die Verwaltung formulierten Zielsetzungen, werden bereits heute sehr erfolgreich angewendet. Je breiter die städtischen Handlungsmöglichkeiten in den Vermarktungs- strategien aufgestellt werden, umso spezifischer können die zur Erreichung der sich aus dem zu vermarktenden Gebiet ergebenden oder jeweils erforderlichen städtebaulichen Ziele verfolgt werden.

 

Das hier nunmehr vorgeschlagene sogenannte „Einheimischenmodell“ ist ein sehr sensibel zu behandelndes Vergabemodell. Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 08.05.2013, Rs. C-197/11 und C-203/11 die Auffassung vertreten, dass die Bevorzugung ortsansässiger Grundstücksinteressenten grundsätzlich die europarechtlich garantierten Grundfreiheiten der Personenfreizügigkeit, der Dienstleistungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs einschränken würde und daher nur unter sehr engen Voraussetzungen zugelassen werden könnte. Im Jahr 2017 haben sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, die bayrische Staatsregierung und die Europäische Kommission zur Beendigung eines bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Leitlinien geeinigt, unter denen ein sogenanntes Einheimischenmodell zugelassen werden kann.

Grundsätzliche Voraussetzung ist die Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden sozialpolitischen Ziels, das aber nur anteilig bis zu höchstens 50 % Einfluss auf die Grundstücksvergabe haben darf. Anerkannt ist dabei die Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Dies setzt voraus, dass ein Teil der Grundstücke zu einem günstigeren Preis zur Verfügung gestellt werden, wobei die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Grundstücksinteressenten die jeweiligen Durchschnittsbeträge nicht überschreiten dürfen.

Unter diesen Voraussetzungen ist es zulässig, eine sozialpolitisch begründete Subvention von Personen und Personengruppen mit einem durch Wohnsitz oder Arbeitsplatz begründeten Bezug zur jeweiligen Gebietskörperschaft (Stadt bzw. Gemeinde) zukommen zu lassen.

Unter Beteiligung eines auf diese sogenannten Einheimischenmodelle spezialisierten Fachanwalts für Verwaltungsrecht wurden nun die in der Anlage befindlichen Richtlinien zur Vergabe von städtischen Baugrundstücken für Ein-, Zweifamilien- und Doppelhäuser entwickelt. Es wird weiterhin ein in Teilen modifiziertes Losverfahren sein, da dies nach Auffassung der Verwaltung das gerechteste Verfahren darstellt. Diese Richtlinien basieren auf der Voraussetzung einer Subventionsabsicht im Los I, wodurch Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Bramsche, mit einem unter dem Durchschnitt liegenden Einkommen, die Möglichkeit geschaffen wird, ein Grundstück in ihrer Heimatstadt zu erwerben.

 

Im Folgenden werden die in der Anlage dargestellten Richtlinien weitestgehend erläutert:

 

Es werden das Los I und das Los II gebildet. Im Los I werden die Einheimischen berücksichtigt, die entsprechend festgelegte Anforderungskriterien erfüllen. Als Einheimische sind die Haushalte anzusehen, die mindestens 5 Jahre ihren Hauptwohnsitz in Bramsche gemeldet haben oder hatten, dabei ist es unerheblich ob kontinuierlich oder summiert, oder aber ihren vorwiegenden Arbeitsplatz im Stadtgebiet von Bramsche haben. Ein Haushalt wird im Sinne dieser Richtlinie als eine natürliche Person oder mehrere natürliche Personen definiert, die entweder bereits einen gemeinsamen Wohnsitz haben oder auf dem zu erwerbenden Grundstück ein Wohngebäude zu diesem Zweck errichten möchten. Für die im Los I als Einheimische zu bevorzugenden Haushalte ist eine Einkommens-und Vermögensgrenze festzulegen.

Die Einkommensgrenze wird dahin definiert, dass das Haushaltsbruttojahreseinkommen im Durchschnitt der dem laufenden Jahr vorausgegangenen drei Jahre die Grenze von 70.000 Euro pro Haushalt nicht überschreiten darf.

Das hier festgelegte Haushaltsbruttojahreseinkommen basiert auf der Aufstellung des statistischen Bundesamts für das Jahr 2021. Diese besagt, dass im Durchschnitt ein 2-Personen-Haushalt ohne Kinder über ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.815 Euro verfügt.[1] Daraus ergibt sich ein durchschnittliches Bruttojahreseinkommen je 2-Personen-Haushalt in Höhe von 69.780 Euro. Um hier eine Praktikabilität zu gewährleisten, wird die Summe auf 70.000 Euro gerundet. Da die Richtlinien festlegen, dass Haushalte unabhängig von der Personenzahl berücksichtigt werden, fällt auch der Ein-Personen-Haushalt unter diese Grenze.

 

Eine zukünftige Anpassung des Haushaltsbruttojahreseinkommens kann aufgrund einer gesonderten Vorlage beschlossen werden, sobald die jetzige Einkommensgrenze nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Das statistische Bundesamt veröffentlich diese Zahlen in einem jährlichen Rhythmus, sodass eine ständige Aktualisierung gegeben ist und auf diese zurückgegriffen werden kann.

Für Haushalte mit Kindern wird zur definierten Einkommensgrenze ein Kinderfreibetrag in Höhe von 9.500 Euro je Kind hinzugerechnet. Damit werden alle Formen des Zusammenlebens gewürdigt und die Förderung von Kindern als besonderes Anliegen der Stadt Bramsche unterstrichen.

 

Die Höhe dieses Freibetrages orientiert sich am Kinderfreibetrag nach dem Einkommensteuergesetz, ohne jedoch dessen steuerrechtliche Voraussetzungen zu verlangen. Der jedem Elternteil zustehende Freibetrag in Höhe von 4.656 Euro/Kind für das Jahr 2024 wird somit unabhängig vom Kindschaftsverhältnis dem jeweiligen Haushalt in doppelter Höhe von 9.312 Euro/Kind zugerechnet.[2] Auch hier wurde angesichts einer vereinfachten Berechnung die Summe auf 9.500 Euro aufgerundet. Die Verwaltung hat sich bewusst dahingehend entschieden, bereits jetzt schon den Kinderfreibetrag für das Jahr 2024 anzusetzen, um nicht nachträglich die Richtlinien erneut anzupassen zu müssen. 

 

Bei der zu berücksichtigenden Vermögensgrenze wird die Summe in Höhe von 163.000 Euro festgelegt. Laut Statistischem Bundesamt besaß jeder deutsche private Haushalt im Jahr 2018 im Durschnitt ein Nettogesamtvermögen in Höhe von 162.600 Euro.[3] Da bereits bei der Einkommensgrenze eine Orientierung auf Bundesebene festgelegt worden ist, sollte auch im Bereich des Vermögens auf gleicher Ebene gehandelt werden. Hier sind zwar Angaben des Jahres 2018 die aktuellsten Zahlen, jedoch ist hier zu berücksichtigen, dass es keine jährliche Erhebung gibt.  Angesichts des bisherigen Veröffentlichungsrhythmusses von fünf Jahren, geht man von der Annahme aus, dass eine Aktualisierung der Statistik für das Jahr 2023 angestrebt wird. Eine Definition des Nettogesamtvermögens wird in einem Ergänzungsblatt zu den Richtlinien aufgeschlüsselt.

 

Das Los II wird durch die Bewerber gebildet, die die Kriterien zur Aufnahme in das Los I nicht erfüllen und die Bewerber, die im Los I nicht zum Zuge gekommen sind. Somit haben die Einheimischen eine zusätzliche Chance auf ein Baugrundstück.

Um den Verwaltungsaufwand für die Überprüfung der Einhaltung von der Einkommens- und Vermögensgrenze möglichst gering zu halten, muss jeder Bewerber eine schriftliche Erklärung diesbezüglich abgeben. Auf Verlangen der Verwaltung müssen Nachweise eingereicht werden, sobald eine tatsächliche Zuteilung eines Grundstückes erfolgt ist. Entsteht der Verdacht, dass es sich um Falschangaben handelt und sich der Verdacht bestätigt, so wird der Bewerber (Haushalt) vom Verfahren ausgeschlossen und strafrechtliche Schritte durch die Verwaltung eingeleitet.

Wie bereits in den im Jahr 2019 beschlossenen Vergabekriterien festgelegt, wird in den neuen Richtlinien weiterhin der Passus beibehalten, dass Haushalte, die bereits in der Vergangenheit ein städtisches Grundstück erhalten haben, vom Verfahren ausgeschlossen sind bzw. nur unter besonderen Umständen zugelassen werden. Diese Einzelfallentscheidungen sind durch den Verwaltungsausschuss zu beschließen.

Die Grundstücksverkaufspreise werden auf Vorschlag der Verwaltung durch den Verwaltungsausschuss beschlossen, der jeweilige Ortsrat ist vorher anzuhören.

Damit das hier angestrebte Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Einheimischen in Los I durchgeführt werden kann, muss der Subventionscharakter weiterhin gegeben sein. Dies wird durch einen reduzierten Verkaufspreis gewährleistet. Für Los I wird somit der Verkaufspreis dahingehend festgelegt, dass der für Los II festgelegte Verkaufspreis um einen prozentualen Abschlag in Höhe von 20 v.H. reduziert wird.

 

Wie bisher auch, wird die Verwaltung an Hand der Bewerbungen die Teilnehmerliste für das Los I und das Los II zusammenstellen. Es ist auch festzuhalten, dass dem Los I maximal 50% der Baugrundstücke zugeordnet werden dürfen, damit auch Nicht- Bramscher- Bürgern mindestens die gleiche Anzahl an Baugrundstücken zur Verfügung gestellt wird, sodass man nicht von einer einseitigen und damit unzulässigen Bevorzugung Einheimischer sprechen kann.

 

Die Vergabe an sich wird, wie bisher auch, in getrennten Verfahren im Rahmen einer Verwaltungs- ausschusssitzung durchgeführt.  Ebenfalls wird es weiterhin die Möglichkeit geben, einzelne Grundstücke für Ausnahmefälle freizuhalten bzw. außerhalb des regulären Losverfahrens direkt zu vergeben. Auch hier setzt der Verkauf einen Beschluss des Verwaltungsausschusses voraus.

 

Zusammenfassend empfiehlt die Verwaltung das hier dargelegt Vergabeverfahren nach dem Losprinzip mit seinen Richtlinien zur Vergabe von städtischen Baugrundstücken für Ein-, Zweifamilien- und Doppelhäusern zu beschließen.



[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Einkommen-Einnahmen-Ausgaben/Tabellen/liste-haushaltstyp.html#115572

[2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/familienleistungen/freibetraege-fuer-kinder/freibetraege-fuer-kinder-73890

[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Vermoegen-Schulden/Tabellen/geld-immob-verm-schulden-evs.html


Beschlussvorschlag:

 

Die in der Anlage beigefügten Richtlinien zur Vergabe von städtischen Baugrundstücken für Ein-, Zweifamilien- und Doppelhäuser werden beschlossen.