Betreff
Anmerkungen der Verwaltung zum TOP "Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung - Antrag CDU"
Vorlage
WP 16-21/0561-1
Art
Mitteilungsvorlage
Referenzvorlage

Sachverhalt / Begründung:

 

Anmerkungen Fachbereich 4:

 

Ausgangslage:

Die Stadt Bramsche erhebt seit 1974 Straßenausbaubeiträge. Seit etwa zwei Jahren gibt es in der Bundesrepublik zunehmend Proteste gegen Straßenausbaubeiträge. In Niedersachsen gibt es gut 50 Bürgerinitiativen, die sich für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einsetzen.

 

Der Landesgesetzgeber hat bereits reagiert und 2017 den § 6b „Wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen“ in das NKAG aufgenommen. Damit wurde der Weg eröffnet, größere Abrechnungseinheiten zu bilden, mit der Folge, dass anstelle hoher einmaliger Beiträge,  geringere, aber wiederkehrende Beiträge zu zahlen sind.

Jedoch ist die Abgrenzung der Abrechnungseinheiten sehr schwierig und kaum rechtssicher  möglich. Die Kostenverteilung ist zudem außerordentlich fehleranfällig. Die Beitragspflichtigen bilden hierbei eine Schicksalsgemeinschaft. Wird der Beitrag auch nur für ein Grundstück unzutreffend ermittelt, sind unweigerlich auch die Beiträge für alle anderen Grundstücke falsch und das bei Abrechnungsgebieten, die in Bramsche durchaus hunderte von Grundstücken umfassen dürften.

 

Das System „Wiederkehrende Beiträge“ kann dem Grunde nach nur funktionieren, wenn es bei den Beitragspflichtigen auf Akzeptanz stößt. Ob diese Akzeptanz auch dann noch gegeben ist, wenn Beitragspflichtige über zig Jahre zwei- oder dreistellige Beiträge gezahlt haben, aber „ihre“ Straße immer noch nicht erneuert worden ist, scheint fraglich. 

 

Außerdem ist diese Variante mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden. Die Beiträge müssen jährlich neu kalkuliert bzw. angepasst und festgesetzt werden. Dabei  sind die Eigentumsverhältnisse und Verteilungskriterien (Größe und Nutzung) jedes einzelnen Grundstücks zu überprüfen.

 

Nach einhelliger Meinung der Fachleute sind wiederkehrende Beiträge allenfalls für kleine Gemeinden, deren Gebiet möglichst eine einzige Abrechnungseinheit bildet, geeignet.

Allerdings hat auch die Stadt Springe, die von Größe und Siedlungsstruktur her mit Bramsche vergleichbar scheint, eine entsprechende Satzung erlassen.  Die Entwicklung in Springe wird vom FB 4 interessiert verfolgt werden.

 

Der Landesgesetzgeber hat zudem angekündigt, das NKAG erneut zu ändern, um etwaige Härten der einmaligen Straßenausbaubeiträge abzumildern bzw. zu beseitigen. Im Gespräch sind dabei offenbar eine Deckelungsklausel sowie eine bedingungslose Verrentung der Beitragsschuld, beispielsweise über 20 Jahre, zu einem günstigen Zinssatz.

 

Sollte die Verrentung ihren Weg ins Gesetz finden,  dürfte sich das Thema wiederkehrende Beiträge eigentlich erledigt haben, da auch so, ohne allzu großen Aufwand, der gewünschte Effekt, eine hohe Zahlungsforderung in  mehrere kleine  Forderungen zu stückeln, erzielt werden kann. Auch diese Entwicklung sollte abgewartet werden.

 

Notwendige Investitionen in das Wegenetz:

Typischerweise sind Gemeindestraßen nach einer Nutzungsdauer von 40 – 45 Jahren in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand, was bedeutet, dass bei den zahlreichen Straßen, die in den 50er, 60er und 70er Jahren hergestellten worden sind,  eine Erneuerung angezeigt sein könnte.

Bei den in den 50er und 60er Jahren hergestellten Straßen kommt hinzu, dass auch die Kanäle an die Grenze ihrer Lebensdauer stoßen und ersetzt werden müssen. Es wäre wirtschaftlich nicht zu verantworten, diese Arbeiten nicht mit einer Erneuerung der gesamten Straße zu verbinden.

 

Die Höhe der jährlichen Abschreibungen für Gemeindestraßen und Parkplätze betrug im Jahr 2017 rd. 1,9 Mio. €. Ob diese Zahl den Rückschluss erlaubt, dass dieser Betrag jährlich in die Erneuerung von Straßen und Parkplätzen fließen müsste, ist aus zweierlei Gründen zu bezweifeln. Die Abschreibungsdauer beträgt 25 Jahre, tatsächlich sind Gemeindestraßen aber typischerweise erst nach 40 – 45 Jahren erneuerungsbedürftig. Andererseits spielen die Straßen, die älter als 25 Jahre sind, bei der Abschreibung überhaupt keine Rolle mehr, obwohl gerade diese Straßen mit Blick auf eine Erneuerung von Interesse sind.

 

Der Investitionsbedarf müsste also anders ermittelt werden. Dazu folgende einfache Rechnung. Die Gesamtlänge der in der Ortslage gelegenen Straßen (also ohne Außenbereichsstraßen = Wirtschaftswege und Gemeindeverbindungsstraßen) beträgt 137 Kilometer. Wenn jede Innerortsstraße alle 45 Jahre erneuert werden soll, wären das jährlich ca. 3 Kilometer. Die Kosten für den 2015 ausgebauten Grammelmoorweg (zwischen Poggenpatt und Julius-Leber-Straße) betrugen ca. 1.100 € je laufenden Meter. Würden also in einem Jahr Straßen von der Qualität des Grammelmoorweges auf einer Länge von 3 Kilometern erneuert werden, würde das    

3,3 Millionen € kosten, wobei die in jüngster Zeit festzustellende enorme Preissteigerung im Tiefbau noch nicht einmal berücksichtigt ist.

 

Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass zukünftig deutlich höhere Investitionen als bisher in das vorhandene Straßennetz erforderlich werden. Dementsprechend wird auch der Straßenausbaubeitrag als wichtige und einzige zweckgebundene Form der Finanzierung dieser Maßnahmen an Bedeutung gewinnen, sofern er nicht abgeschafft wird. 

 

Zur rechtlichen Zulässigkeit, keine Straßenausbaubeiträge zu erheben:

Nach § 111 Abs. 5 NKomVG  besteht keine Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen.

 

Diese Ausnahme vom Vorrang der Entgelteinnahmen (Beiträge und Gebühren) findet ihre Grenze jedoch in § 111 Abs. 6 NKomVG, wonach die Kommunen Kredite nur aufnehmen dürfen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.

Kredite dürfen dementsprechend nur aufgenommen werden, wenn die vorrangige Möglichkeit namentlich zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ausgeschöpft worden ist. (Driehaus in Driehaus Kommunalabgabenrecht § 8 Rn. 14b).

 

Die Kommunalaufsicht könnte es demzufolge beanstanden, wenn die Stadt Bramsche für die Erneuerung einer Straße einen Kredit aufnehmen muss, obwohl sie Straßenausbaubeiträge erheben könnte, oder wenn sie keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann.

 

Hinsichtlich weiterer haushaltsrechtlicher Bedenken wird auf die Anmerkungen des FB 1 verwiesen.

 

Zur Begründung des Antrags:

 

Der Antrag wird damit begründet, dass die teilweise sehr hohen Summen, die Grundstücks- und Wohnungseigentümer bei einer Straßensanierung bezahlen müssen, häufig eine erhebliche und unverhältnismäßige finanzielle Bürde für die Betroffenen darstellen.

 

Die in den Medien gerne bemühten Beispiele (ein Anlieger muss über 100.000 € zahlen, eine Rentnerin ist gezwungen, ihr Grundstück zu verkaufen), hat es in Bramsche bislang nicht gegeben. Sie sind auch zukünftig nicht zu erwarten.

 

Die Normalität im oberen Beitragssegment repräsentiert vielmehr der im Jahre 2015 ausgebaute und 2016 abgerechnete Grammelmoorweg (zwischen Poggenpatt und Julius-Leber-Straße). Die Straße ist ca. 10 m breit. Es wurden alle vorhandenen Teileinrichtungen erneuert und sogar noch ein neuer Parkstreifen angelegt. Der Ausbauaufwand war also vergleichsweise hoch, die Beiträge demzufolge auch.

Der höchste Beitrag lag bei 13.990,49 €, wobei es sich allerdings um ein 1.747 m² großes Grundstück handelt, welches mit zwei zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern bebaut ist. Also kein typisches Grundstück. Im Durchschnitt lag der Beitrag bei ca. 7.000 €.

 

Der Grammelmoorweg wurde 1967 erstmalig endgültig hergestellt. Angesichts der Steigerung des Gebrauchswertes und des Wertzuwachses, welchen die anliegenden Grundstücke durch die Straßensanierung erfahren und der Tatsache, dass diese Anlieger auf die Nutzung „ihrer“ Straße (nur ihnen steht der Anliegergebrauch zu) in der Regel angewiesen sind, hält es die Verwaltung dem Grunde nach und auch von der Beitragshöhe her, für nicht unverhältnismäßig, von den Anlieger, fast 50 Jahre nach dem Erstausbau ihrer Straße, Straßenausbaubeiträge für eine auch weiterhin gut nutzbare Straße zu verlangen.

 

Eine ganz andere Frage ist, ob der Beitrag eine finanzielle Bürde darstellen kann. Die Beantwortung dieser Frage hängt immer von den finanziellen Verhältnissen des einzelnen Schuldners ab. Für den einen Beitragspflichtigen wird es kein Problem sein, eine fünfstellige Beitragsforderung  kurzfristig zu begleichen. Für den anderen wird das schon bei einem dreistelligen Betrag kaum möglich sein.

 

Persönliche Härten können bei öffentlichen Abgaben bereits heute über die Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung (Stundung, Erlass) entschärft werden.

 

Sollte der Gesetzgeber hier, wie von der Landesregierung angekündigt,  nachbessern, indem er beispielsweise eine bedingungslose, langfristige Verrentung der Beitragsschuld zu günstigen Konditionen ermöglicht, dürfte auch den Betroffenen geholfen sein, die keinen Anspruch auf Stundung oder Erlass haben.

 

Es kann also festgehalten werden, ja, die Beiträge können im Einzelfall eine finanzielle Bürde darstellen, aber diese Fälle können durch Billigkeitsregelungen und zukünftig wohl auch durch die von der Landesregierung angekündigten Zahlungserleichterungen gelöst werden. 

 

Der Antrag  der CDU schlägt vor, im Hinblick auf die Straßennutzung durch die Allgemeinheit und aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten sollte eine bürgerfreundliche Finanzierung aus allgemeinen Mitteln erfolgen.

 

Straßennutzung durch die Allgemeinheit und Gerechtigkeitsgesichtspunkte:

Die Sichtweise der CDU teilt die Verwaltung nicht. Der Vorteil, irgendeine frisch sanierte Straße zu durchfahren, um von A nach B zu gelangen, ist nicht mit dem Vorteil gleichzusetzen, den der Eigentümer eines an dieser gut ausgebauten und nutzbaren Straße gelegenen Grundstücks hat.

 

Das Bundesverwaltungsgericht sieht es ebenso (BVerwG, Beschl. v. 30.7.2018 – 9 B 23/17):

Durch den Straßenausbaubeitrag wird nicht die schlichte, auch der Allgemeinheit zustehende Straßenbenutzungsmöglichkeit abgegolten, sondern die einem Grundstück, insbesondere einem solchen mit Baulandqualität, zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung. Dieser Vorteil ist geeignet, den Gebrauchswert der begünstigten Grundstücke positiv zu beeinflussen.

 

Dazu aus der Vorinstanz (OVG Lüneburg 9. Senat, Urteil vom 27.03.2017, 9 LC 180/15):

Damit liegt im Falle des Klägers auch ein grundstücksbezogener Sondervorteil im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor. Dieser besteht in der Steigerung des Gebrauchswerts seines Grundstücks durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der hinsichtlich der Fahrbahn verbesserten und hinsichtlich der übrigen Teileinrichtungen grundlegend erneuerten Straße. Dieser Sondervorteil unterscheidet sich auch erheblich von dem Vorteil, der der Allgemeinheit der Straßennutzer geboten wird, weil der Kläger als Straßenanlieger direkt von seinem Grundstück aus die Straße für sämtlichen Ziel- und Quellverkehr von und zu seinem Grundstück nutzt, während alle anderen Nutzer der Straße, deren Grundstücke nicht von der F. straße erschlossen sind, diese nur im Wege der Durchfahrt (gelegentlich) nutzen können.

 

Die Begründungen des BVerwG und OVG Niedersachsen sind einleuchtend, werden aber in einem Beitrag von Prof. Dr. Driehaus (1997 – 2005 vorsitzender Richter am BVerwG) in der Kommunalen Steuer-Zeitschrift im Januar 2019 besonders gut veranschaulicht:

 

Ob der Gebrauchswert angrenzender Grundstücke durch einen beitragsfähigen Ausbau einer Verkehrsanlage steigt, lässt sich , alle juristischen Überlegungen zum beitragsrechtlichen Vorteilsbegriff hintangestellt, ganz einfach durch eine Gegenprobe beantworten: Baut die Gemeinde eine verschlissene Straße nicht aus, sondern lässt sie gleichsam „verrotten“, werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit Straße und angrenzende Grundstücke nahezu unbenutzbar sein, jedenfalls sinkt der Gebrauchswert dieser Grundstücke und erleiden deren Eigentümer dadurch einen Nachteil. Saniert die Gemeinde dagegen die Straße rechtzeitig, wird nicht nur ein solcher Nachteil vermieden, sondern es wird durch die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit der erneuerten Straße dieser Gebrauchswert im Verhältnis zum Gebrauchswert während des Zeitraums des Verschlissenseins der Straße erhöht.

 

Der Vorteil der Eigentümer der anliegenden Grundstücke liegt also nicht nur darin, dass sie die Straße, wie die Allgemeinheit auch, nutzen können; vielmehr wird regelmäßig die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit ihrer Grundstücke erst durch die Straße herbeigeführt – ohne erschließende Straße kein Bauland.

 

Zu guter Letzt erfahren die anliegenden Grundstücke regelmäßig aber auch einen Wertzuwachs, wenn die sie erschließende Straße erneuert wird.

 

All das spricht dafür, von den in dieser Hinsicht besonders bevorteilten Anliegern einen entsprechenden Beitrag zu verlangen. Wobei es außer Frage steht, dass sich auch die Allgemeinheit an den Kosten beteiligen muss, allerdings nur soweit, wie es ihrem Anteil an der Nutzung der Straße entspricht. Genau das bewerkstelligt das Straßenausbaubeitragsrecht mit hinreichender Präzision, in dem es nach Straßenklassen unterscheidet.

 

Der Anteil der Allgemeinheit an den Ausbaukosten beträgt bei Anliegerstraßen 25%, bei Straßen mit starkem innerörtlichem Verkehr ca. 50% und bei Durchgangsstraßen ca. 60%.

 

Nach der jüngeren Rechtsprechung des OVG Niedersachsen liegt eine Anliegerstraße nur noch bei einem Anteil des Anliegerverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen von mehr als 60% (bislang 50%) vor. Das sind nahezu ausschließlich Sackgassen, die von der Allgemeinheit, wenn überhaupt, nur geringfügig in Anspruch genommen werden. Der geringe Anteil der Allgemeinheit an den Kosten ist also durchaus gerechtfertigt.

 

Straßen mit starkem innerörtlichem Verkehr sind Straßen, bei denen sich Anliegerverkehr und Fremdverkehr ungefähr die Waage halten (40 – 60%). Folgerichtig beteiligt sich die Allgemeinheit mit ca. 50% an den Kosten.

 

Durchgangsstraßen, zu denen bislang fast ausschließlich die Ortsdurchfahrten der Bundes- Landes- und Kreisstraßen gerechnet wurden, liegen nach der aktuellen Rechtsprechung des OVG Niedersachsen bereits bei einem Anteil des Fremdverkehrs von mehr als 60% vor. Als Durchgangsstraßen  werden nun selbst Gemeindestraßen mit relativ geringem Verkehrsaufkommen einzustufen sein.

 

Was die Verteilung der Beitragslasten der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer untereinander angeht, differenziert der Straßenausbaubeitrag zielgenau nach dem Ausmaß der wahrscheinlichen Inanspruchnahme  der einzelnen Straße, durch die bewährten Faktoren Grundstücksgröße, Maß der Nutzung (Vollgeschosse) und Art der Nutzung (Wohnen oder Gewerbe).

 

Im Ergebnis werden die Allgemeinheit und die Anlieger (auch untereinander) angemessen und vorteilsgerecht behandelt.

 

Bei einer vollständigen Finanzierung der Ausbaukosten auf Kosten der Allgemeinheit, würden die allgemeinen Deckungsmittel, also die Einnahmen aus Grund- und Gewerbesteuer sowie der Schlüsselzuweisung, insgesamt für die Finanzierung von Straßenbaumaßnahmen eingesetzt werden.

 

Hinsichtlich der Grundsteuer würden, im Stile einer Rasenmähermethode, alle Grundstücke gleichbehandelt, ohne Rücksicht auf das Ausmaß der vermittelten Benutzungsvorteile. Auf wenig Verständnis bei den Bürgern/Einwohnern dürfte dabei der Umstand stoßen, dass Grundstücke von Bund, Land, Kreis und Stadt von der Grundsteuer befreit sind. Schulen, Sportplätze und Verwaltungsgebäude, also Immobilien, von denen aus die verkehrliche Infrastruktur besonders in Anspruch genommen wird, beteiligen sich also nicht an deren Erhaltung. Gleiches gilt für Kirchengrundstücke, Bahnhöfe und Krankenhäuser.

 

Einnahmen aus der Schlüsselzuweisung, welche sich nach dem Aufkommen des Landes Niedersachsen  aus u.a. der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer richten, setzen nicht einmal das Eigentum an einem Grundstück voraus, womit jeglicher Vorteilsbezug im Verhältnis Straße zu (irgendeinem) Grundstück fehlt.

 

Bürgerfreundliche Finanzierung:

Die von der CDU vorgeschlagene Finanzierung aus allgemeinen Deckungsmitteln  ist nach Auffassung der Verwaltung nicht bürgerfreundlich. Bei genauer Betrachtung geht es vielmehr um eine Entlastung einzig der Grundstückseigentümer an Gemeindestraßen (vornehmlich Innerortsstraßen, da Außenbereichsstraßen in aller Regel im Rahmen der Flurbereinigung ausgebaut werden) zu Lasten der Allgemeinheit, also aller steuerzahlenden Bürger/Einwohner.

 

Verlierer dieser Umverteilung wären also generell alle Bürger/Einwohner, denen kein Grundstück an einer Innerortsstraße gehört und zudem im Besonderen:

  • Anlieger von Gemeindeverbindungsstraßen, die nach politischem Willen bislang keine Straßenausbaubeiträge zahlen müssen,
  • Anlieger von Wirtschaftswegen, die so gut wie nie und wenn doch, dann meistens im Wege der Flurbereinigung ausgebaut werden,
  • Anlieger von Straßen in Sanierungsgebieten, die u.a. für deren Sanierung  einen Ausgleichsbetrag zahlen müssen,
  • Anlieger von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, die häufig keinen Straßenausbaubeitrag zahlen müssen und wenn doch, dann nur für Gehwege, Parkstreifen und Beleuchtung,
  • Anlieger, die in den letzten Jahren für ihre Straße Erschließungs- oder Straßenausbaubeiträge gezahlt haben und deshalb in den nächsten 40 – 50 Jahren keinen Beitrag mehr zahlen müssten.

Diese Verlierer der Umverteilung, die keine bzw. nur sehr geringe Straßenausbaubeiträge hätten zahlen müssen oder in den nächsten 40 – 50 Jahren keinen Beitrag zahlen müssten, würden also ab sofort über ihre Steuern zur Kasse gebeten, damit u.a. die Anlieger einer Sackgasse in bester Wohnlage, trotz der zuvor erläuterten unbestreitbaren Vorteilssituation, deren Ausbau gratis erhalten.

 

Hinsichtlich der Gegenfinanzierung verweist die CDU auf steigende Steuereinnahmen und die Senkung der Kreisumlage.

 

Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge wäre wohl endgültig. Zwar wäre es der Stadt unbenommen, die Beiträge durch Beschluss einer neuen Satzung jederzeit wieder einzuführen. Das ginge jedoch nur unter Verlust jeglicher Glaubwürdigkeit.

 

Daher ist eine langfristig haltbare Finanzierung erforderlich.

 

Die Hoffnung auf stetig weiter steigende oder wenigstens gleichbleibende Steuereinnahmen stellt keine nachhaltige Gegenfinanzierung dar. Auch die Kreisumlage würde erfahrungsgemäß  wieder steigen, sobald sich das positive Umfeld eintrübt.

 

Außerdem stehen den Mehreinnahmen auch tendenziell steigende Ausgaben gegenüber.

Selbst unter den derzeit noch hervorragenden Bedingungen beträgt der planmäßige Fehlbedarf des Haushaltsplanes 2019 derzeit ca. 1,8 Millionen €, wobei die Senkung der Kreisumlage bereits berücksichtigt ist. Der Haushalt kann, wie voraussichtlich auch in den Folgejahren, nur durch einen Rückgriff auf die Überschussrücklage ausgeglichen werden.

 

Dass der Finanzbedarf für Straßenbaumaßnahmen nicht ohne Weiteres aus den allgemeinen Mitteln gedeckt werden kann, ist auch daran zu erkennen, dass selbst in den letzten „guten“ Jahren  nicht genug  Geld in die Sanierung von Straßen investiert werden konnte. Seit 2012 wurden, außerhalb von Sanierungs- und Flurbereinigungsverfahren, lediglich der Grammelmoorweg, die Lessingstraße und Abschnitte der Marie-Juchacz-Straße und der Goethestraße ausgebaut. Der Ausbau der Weserstraße wird seit Jahren hinausgeschoben, obwohl derzeit noch ca. 50% der Kosten durch Straßenausbaubeiträge refinanziert werden könnten. Das liegt offensichtlich daran, dass Straßenbaumaßnahmen hinsichtlich der Finanzierung mit anderen kommunalen Aufgaben (KiTas, Schulen, Feuerwehr, sonstige soziale Einrichtungen) konkurrieren. Die Erfahrung zeigt, dass der Bau einer KiTa und die Erweiterung einer Schule in der Regel immer dem Sanieren von Straßen vorgezogen werden.

 

Bei einer reinen Finanzierung aus nicht zweckgebundenen allgemeinen Mitteln, also ohne zweckgebundene Deckung aus Beiträgen, würde die Bereitschaft, in Straßenbaumaßnahmen zu investieren, sicherlich noch weiter sinken.

 

Die CDU wünscht, dass auch Mieter beim Vorteilsausgleich berücksichtigt werden.

 

Die Verwaltung hält es für vorteilsgerecht, dass derjenige einen besonderen Beitrag leisten soll, dessen Grundstück durch den Straßenausbau einen Wertzuwachs erfährt. Das ist der Eigentümer oder der Erbbauberechtigte, nicht der Mieter.

 

Eine weitere Belastung der Mieter, die eine Erhöhung der Grundsteuer nach sich ziehen würde, wäre zudem in Anbetracht des derzeit in Bramsche angespannten Wohnungsmarktes unangebracht und würde die Bemühungen um bezahlbaren Wohnraum konterkarieren.

 

Die CDU hält die derzeitige Satzung in Teilen für rechtswidrig, eine Anpassung würde teilweise noch höhere Belastungen der Eigentümer nach sich ziehen.

 

Offenbar ist hiermit der Anteilssatz für Wirtschaftswege (§ 47 Nr. 3 NStrG) gemeint.

 

Es ist kaum vermeidbar und völlig normal, dass Satzungsbestimmungen im Laufe der Zeit nicht mehr mit der voranschreitenden Rechtsprechung im Einklang stehen, gerade wenn das Gericht nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält. Das macht die Straßenausbaubeitragssatzung allerdings nicht insgesamt ungültig, sondern, wie hier,  nur die Verteilungsregelung zu Wirtschaftswegen. Solange kein Wirtschaftsweg  abzurechnen ist, bedarf es keiner Satzungsänderung.

 

Inhaltlich hat das OVG Niedersachsen entschieden, dass es nicht rechtens ist, für Wirtschaftswege  einen pauschalen Anliegeranteil  (in Bramsche 75%) festzusetzen, sondern ebenfalls auf das Verhältnis Anliegerverkehr zu Fremdverkehr abzustellen. Es ist davon auszugehen, dass der Anliegeranteil deshalb sinken wird. Der bisherige pauschale Satz von 75% dürfte nach der zuvor genannten Rechtsprechung des OVG nur noch zum Tragen kommen, wenn der Anliegerverkehr über 60% ausmacht.

 

Die Belastungen für die Anlieger an Wirtschaftswegen werden also tendenziell eher sinken, jedoch keinesfalls steigen.

 

 

Anmerkungen des Fachbereichs 1 zu den finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt Bramsche bei Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung

 

Um die möglichen Auswirkungen einer Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung zu verstehen, muss zunächst die Systematik des Finanzhaushaltes erläutert werden. Dieser besteht aus drei Teilen die nicht einfach miteinander vermischt werden dürfen.

 

Um dieses deutlicher zu machen, wurde im folgenden Schema auch  das private „Gegenstück“ mit dargestellt.

 

Saldo laufender Verwaltungstätigkeit

Steuern, Verwaltungsgebühren

Energiekosten, Personalkosten

Girokonto

Gehalt, Lohn

Lebensmittel, Autokosten

Saldo aus Investitionstätigkeit

Verkauf von Sachvermögen

Ankauf von Sachvermögen

Baukonto

Verkauf des Autos

Kauf eines Eigenheims

Saldo aus Finanzierungstätigkeit

Aufnahme von Krediten

Tilgung von Krediten

Kreditkonto

Aufnahme eines Kredites

Tilgung eines Kredites

 

Der 1. Teil beinhaltet die Ein- und Auszahlungen der laufenden Verwaltung. Hier werden alle „nicht besonderen“ Zahlungen gebucht.

 

Der 2. Teil ist für alle Ein- und Auszahlungen im Zusammenhang mit Investitionen.

 

Der 3. Teil steht für die Finanzierung über Kredite.

 

Wie auch in der privaten Welt sollte der Saldo aus laufenden Ein- und Auszahlungen mindestens so hoch sein, dass die Tilgung der Kredite davon erfolgen kann. Erst ein darüber hinaus gehender Rest steht für weitere Investitionen zur Verfügung.

 

Daher sollten Investitionsauszahlungen nach Möglichkeit durch Investitionseinzahlungen gedeckt werden. Da diese in der Regel jedoch nicht ausreichend sind, steht regelmäßig eine Kreditaufnahme zur Deckung dieser Lücke an.

 

Sollte die durch eine Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung entstehende Deckungslücke z.B. durch die Erhöhung der Grundsteuerhebesätze aufgefangen werden, hat das folgende Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt Bramsche:

 

Die Einzahlungen aus der Grundsteuer steigen an. Bei einer Erhöhung um z.B. 50 Punkte auf rd. 3,9 Mio. €. Der Saldo aus lfd. Verwaltungstätigkeit würde im Plan 2019 dann nicht mehr bei -484.000 € sein, sondern bei +10.000 €. Diese Summe reicht nicht um die Tilgung zu decken. Das bedeutet, es wären Investitionen in den Straßenausbau trotzdem vollständig über Kredit zu finanzieren.

Die Möglichkeit, durch die erhöhte Steuer bei den Investitionen zu profitieren, hängt von der gesamten Haushaltssituation ab und kann nicht verlässlich eingeplant werden.

 

Die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes hat auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen und die Höhe der Kreisumlage zwar keinen direkten Einfluss, aber mittelbar. Sowohl für Schlüsselzuweisungen also auch bei der Ermittlung der Kreisumlage spielen die sogenannten gewogenen Hebesätze eine Rolle. Das heißt, man nimmt unsere durch das Finanzamt ermittelten Messbeträge und multipliziert diese mit dem gewogenen Hebesatz (nicht mit unserem!). Dadurch soll ermittelt werden, wieviel Steuern die Stadt hätte einnehmen können. Dieser gewogene Hebesatz ist ein Durchschnitt und steigt jedes Jahr an. Von 2009 mit 317 Punkten auf 360 Punkte im Jahr 2019. Damit also der Effekt der „Straßenfinanzierung“ sich nicht schmälert müsste der Hebesatz regelmäßig angepasst werden. Gleichzeitig würden alle Städte die ihre Hebesätze so massiv erhöhen, natürlich auch den gewogenen Hebesatz immer schneller steigen lassen.

 

Ein weiterer Effekt bei der Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung ist die Belastung des Ergebnishaushaltes. Durch Beiträge entstehen Sonderposten in der Bilanz, diese werden über 25 Jahre analog zur Straße abgeschrieben. Die Auflösung dieser Sonderposten wird ebenso wie die Aufwendungen für Abschreibung in der jährlichen Ergebnisrechnung gebucht. Dadurch werden die Belastungen des Ergebnishaushaltes durch die Abschreibungen reduziert. Bei einer Abschaffung müsste die volle Abschreibung durch den laufenden Ergebnishaushalt erwirtschaftet werden.

 

Die Verschuldung der Stadt Bramsche wird von der Kommunalaufsicht des Landkreises kritisch beobachtet. Es sollten in diesem Bereich alle Einzahlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Anstieg der Verschuldung nicht über das notwendige Maß zu steigern.

 

Die Frage wie hoch die jährlichen Investitionen in die Sanierung von Gemeindestraßen sein sollten, lässt sich anhand der Zahlen nicht so einfach beurteilen. Eine Reinvestitionsquote von 100% stellt sicher, dass kein Werteverzehr stattfindet. Das wäre die Höhe der jährlichen Abschreibungen. Diese betrugen im Jahr 2017 rd. 1,9 Mio. € für die Gemeindestraßen und Parkplätze. Die jährliche Höhe der Abschreibung wird durch die zugrundeliegende Nutzungsdauer beeinflusst. Im NKR beträgt die Abschreibungsdauer in diesem Bereich 25 Jahre. Die typische Gemeindestraße ist sicherlich auch nach 25 Jahren ohne Sanierung weiter nutzbar. Daher sollte dieser Wert nicht als jährliche Investition angesehen werden. Hier ist es sicherlich sinnvoller die sanierungsbedürftigen Straßen über den Baubereich aufzunehmen und durch eine jährlich festgesetzte Investitionssumme abzuarbeiten.

 

 

Empfehlung der Verwaltung:

Die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung wäre ein einschneidender und wohl auch unumkehrbarer Schritt, der nicht überhastet, womöglich unter dem Eindruck eines vorübergehenden konjunkturellen Aufschwungs, erfolgen darf. Wie man es nicht machen sollte, sieht man am Beispiel der Stadt Georgsmarienhütte. Dort wurde die Satzung 2016 aufgehoben, ohne sich Gedanken über die Gegenfinanzierung der Beitragsausfälle zu machen. Eine wohl auf Dauer unerlässliche Erhöhung der  Grundsteuer wird (aus guten Gründen) bis heute abgelehnt.

 

Die Verwaltung hält es für rechtssicherer und gerechter, die Eigentümer der anliegenden Grundstücke an den Kosten des Ausbaus ihrer Straße in Form von Straßenausbaubeiträgen zu beteiligen, anstelle die Kosten vollständig von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen. Straßenausbaubeiträge haben sich als Finanzierungsinstrument über die Jahre bewährt.

 

Ob Beiträge für die Betroffenen eine hohe Belastung darstellen, hängt von den finanziellen Verhältnissen des einzelnen Schuldners ab. Persönliche Härten können bereits heute über die Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung (Stundung, Erlass) entschärft werden.

 

Spätestens wenn der Gesetzgeber eine bedingungslose, langfristige Verrentung der Beitragsschuld zu günstigen Konditionen in das NKAG aufnehmen sollte, dürfte dieses Problem weitestgehend gelöst sein.

 

Der Niedersächsische Städtetag empfiehlt seinen Mitgliedern, das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des NKAG sowie zur Reform der Grundsteuer abzuwarten.

Die Verwaltung schließt sich dem an und kann daher nicht empfehlen, dem Antrag der CDU zu entsprechen.