Betreff
Vorhandene Erschließungsanlagen
Sonderstellung des Ortsteils Bramsche
Abrechnung des Stiegeweges
Vorlage
WP 11-16/203
Art
Mitteilungsvorlage

Sachverhalt / Begründung:

Im Zusammenhang mit dem angedachten Ausbau des Stiegeweges wurde in den politischen Gremien erneut darüber diskutiert, ob die Anforderungen, die an eine vorhandene Erschließungsanlage zu stellen sind, im Ortsteil Bramsche andere sein dürfen/müssen als in den übrigen Ortsteilen.

 

Der Verwaltungsausschuss hat die Verwaltung in seiner Sitzung vom 04.10.2012 beauftragt, rechtskonforme Lösungsmöglichkeiten für das Problem der unterschiedlichen Behandlung von vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes angelegten Erschließungsstraßen in den ehemals selbstständigen Ortsteilen zu suchen.

 

Rechtliche Grundlagen und Vorgeschichte:

Baumaßnahmen an Straßen werden entweder nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs (BauGB) oder des Nds. Kommunalabgabengesetzes (NKAG) abgerechnet.

 

Für die Anlieger entscheidend ist dabei, dass sie bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach dem BauGB stärker an den Kosten beteiligt werden, als bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nach NKAG.

 

Die Stadt kann dabei nicht frei wählen, nach welcher Rechtsgrundlage sie abrechnet. Vorrangig sind Erschließungsbeiträge zu erheben, jedoch nur, wenn eine Straße erstmalig endgültig hergestellt wird. Wird eine bereits endgültig hergestellte Straße verbessert oder erneuert, können nur noch Straßenausbaubeiträge erhoben werden.

 

Wann eine Straße endgültig hergestellt ist, richtet sich nach den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung in Verbindung mit der konkreten Ausbauplanung für die jeweilige Straße.

 

Eine besondere Stellung nehmen dabei die vorhandenen Erschließungsanlagen im Sinne von § 242 BauGB ein. Das sind Straßen, für die eine Beitragspflicht aufgrund der bis zum 29.06.1961 (Tag vor Inkrafttreten des Erschließungsbeitragsrechts) geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte. Für diese Straßen können keine Erschließungsbeiträge erhoben werden, auch wenn sie die Herstellungsmerkmale der Erschließungsbeitragssatzung nicht erfüllen.

 

Vorhandene Erschließungsanlagen im Sinne von § 242 BauGB sind in unserer Region die sogenannten „vorhandenen Straßen“ im Sinne des preußischen Anliegerbeitragsrechts (Vorgängerrecht zum Erschließungsbeitragsrecht). In diesem Sinne „vorhanden“ sind Straßen, die vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes (1961) in ihrem damals vorhandenen Zustand mit dem Willen der Gemeinde wegen ihres insoweit für ausreichend erachteten Zustands dem inneren Anbau und innerörtlichem Verkehr zu dienen bestimmt waren und gedient hatten.

 

Von den 1971/1972 der Stadt Bramsche beigetretenen Gemeinden liegen aus der Zeit vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes keine ausdrücklichen Willensbekundungen vor, denen entnommen werden könnte, welche Straßen seinerzeit diese Qualität gehabt haben sollen. Deshalb muss aus sonstigen Tatsachen auf den Willen und die Vorstellungen der Gemeinde geschlossen werden. Eine besonders wichtige Indiztatsache ist der Ausbauzustand. Dabei ist die Größe der Gemeinde zu berücksichtigen und ob es sich um eine Haupt- oder nur um eine Nebenstraße handelt. Gewisse Mindestanforderungen aber wird man, so die ständige Rechtsprechung, jedoch allgemein stellen können, nämlich

1.    das Vorhandensein einer hinreichend befestigten Fahrbahn,

2.    eine – wenn auch primitive – Straßenentwässerung,

3.    eine eigene Straßenbeleuchtung, die einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr zuließ,

4.    die Straße muss sich innerhalb der geschlossenen Ortslage befunden haben.

 

Diese Voraussetzungen müssten am Stichtag 29.06.1961 mindestens erfüllt gewesen sein, wenn es sich um eine „vorhandene“ Straße gehandelt haben soll.

 

Anders sieht es im Ortsteil Bramsche aus. Die Stadt Bramsche (in den Grenzen vor der Gebietsreform) hatte bereits im Jahre 1896 ein Ortsstatut nach §§ 12 und 15 des Preußischen Fluchtliniengesetzes (PrFluchtlG) erlassen, welches 1912 geändert wurde. 1935 wurde dann eine Ortssatzung im Sinne der e.g. Vorschriften erlassen. Diese Bestimmungen sahen u.a. eine Beteiligung der Anlieger an den Straßenbaukosten vor. In der Hauptsache wurde jedoch geregelt, dass es verboten ist, an unfertigen Straßen Wohngebäude zu errichten.

 

Konkrete Herstellungsmerkmale für Straßen enthielten diese Rechtsgrundlagen nicht. Wann und ob eine Straße fertig hergestellt war, durften Magistrat und Bürgervorsteherkollegium im Einverständnis mit der Ortspolizeibehörde, später der Bürgermeister, im Einzelfall bestimmen. 

 

Herstellungsmerkmale enthielt erst eine weitere Ortssatzung, die 1957 verabschiedet wurde. Dieser Satzung wurde ein Verzeichnis beigefügt, das alle Straßen auflistete, die nach dem Willen der Stadt als fertiggestellt anzusehen waren und für die keine Beiträge nach der damals neuen Satzung mehr erhoben werden sollten.

 

Dieses Verzeichnis enthält Straßen, die den Herstellungsmerkmalen der 57er Satzung entsprachen, aber auch Straßen, die selbst heute noch nicht diesen Herstellungsmerkmalen entsprechen, aber offenbar von der Stadt nach den vorhergehenden Bestimmungen (also nach den  Statuten/Satzungen aus 1896 u. 1935) als fertig hergestellt angesehen worden sind.

Problematisch hierbei ist, dass auch Straßen in das Verzeichnis aufgenommen wurden, die nicht einmal die in der späteren Rechtsprechung entwickelten technischen Mindestanforderungen (hinreichend befestigte Fahrbahn, - primitive - Straßenentwässerung und Beleuchtung) erfüllten.

 

Die Verwaltung hat den ausdrücklichen Willen der Stadt Bramsche bislang respektiert und das Straßenverzeichnis nicht in Frage gestellt. Demnach kann eine Straße im Bereich der „alten“ Stadt Bramsche  „vorhanden“ gewesen sein, eine vom Ausbau her gleichwertige oder sogar etwas bessere Straße in einer der beigetretenen Gemeinden hingegen nicht.

 

Die seitens der Politik geäußerte Kritik wird von der Verwaltung geteilt, ebenso wie der Wunsch nach einer rechtskonformen Lösung dieser unglücklichen Situation.

 

Fragestellung und Rechtsberatung:

Die Verwaltung wollte geklärt wissen:

·         Sind die im 57er Straßenverzeichnis aufgeführten Straßen vorhandene Straßen im Sinne von § 242 BauGB, unabhängig von ihrem damaligen technischen Ausbauzustand?

·         Falls Punkt 1 zutrifft, können in den übrigen Ortsteilen nachträglich Verzeichnisse mit vor dem 30.06.1961 vermutlich fertiggestellten Straßen aufgestellt werden?

·         Kann das städtische Satzungsrecht so angepasst werden, dass Straßen in den übrigen Ortsteilen (z. B. der Stiegeweg), die vor dem 30.06.1961 schon in irgendeiner Form vorhanden waren, als fertiggestellt gelten, auch wenn sie nicht den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung entsprechen?

·         Entsprach die Straßenentwässerung des Stiegeweges (Straßenseitengräben) den technischen Mindestanforderungen, obwohl das Oberflächenwasser nicht gezielt über Rinnen und Abläufe in die Gräben geleitet wurde.

·         Lag der Stiegeweg im Bereich der jetzigen Innenbereichssatzung vor dem 30.06.1961 in der geschlossenen Ortslage?

 

Da die Beantwortung dieser Fragen enorme Auswirkungen auf die Belastung der Anlieger, aber auch auf den städtischen Haushalt hat, ließ sich die Verwaltung durch die renommierten Kanzleien Lenz und Johlen sowie Klausing und Klein beraten.

 

 

I. Rechtliche Überprüfung des Bramscher Straßenverzeichnisses von 1957

Sind die im 57er Straßenverzeichnis aufgeführten Straßen vorhandene Straßen im Sinne von § 242 BauGB, unabhängig von ihrem damaligen technischen Ausbauzustand?

Lenz und Johlen vertreten die Auffassung, dass die Aussage, eine Straße sei wegen ihrer derzeitigen und als ausreichend angesehenen Ausbauzustands zum Anbau und innerörtlichen Verkehr bestimmt (wie in Bramsche durch Aufnahme ins Straßenverzeichnis geschehen), wirkungslos ist, wenn die Straße tatsächlich über keinen ausreichenden Ausbauzustand verfügt und die Gemeinde deshalb gehalten ist, für einen solchen Zustand (noch) zu sorgen. Das gilt insbesondere dann, wenn Teileinrichtungen fehlen, über die andere Straßen im Gemeindegebiet verfügen, z.B. eine Beleuchtung. Wenn die solchermaßen nicht der Qualität anderer Straßen entsprechende Straße gleichwohl als „vorhanden“ in das Straßenverzeichnis aufgenommen wird, so kann das Motiv für die Aufnahme nur der Wille sein, auf die bei einem späteren Ausbau anfallenden Beiträge zu verzichten. Dieses Motiv darf aber bei der Feststellung, ob eine Straße, weil sie ausreichend ausgebaut ist, dem Anbau und innerörtlichen Verkehr dienen soll, keine Rolle spielen.

 

Nach allem hat das Straßenverzeichnis, nach Auffassung der Kanzlei Lenz und Johlen, „keine rechtsbegründende Wirkung; denn eine Straße wird nicht durch Aufnahme in das Verzeichnis ´vorhanden´. Es kann also durchaus der Gegenbeweis für das – unrichtige – Straßenverzeichnis erbracht werden“. 

 

Klausing und Klein sind hingegen der Meinung, bei den in das 57er Straßenverzeichnis aufgenommenen Straßen handelt es sich um vorhandene Erschließungsanlagen im Sinne von § 242 BauGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (PrOVG) ist es entscheidend und allein maßgeblich, ob die Straße nach dem Willen der Gemeinde in ihrem damals gegebenen und für ausreichend erachteten Zustand für den inneren Verkehr und den Anbau bestimmt war. Einzig der Wille der Gemeinde war entscheidend und unbeschränkt, so dass es auf den tatsächlichen Ausbauzustand bei Vorliegen eines entsprechenden Verzeichnis überhaupt nicht ankommt. Die Frage des technischen Ausbauzustandes stellt sich nur bei Straßen, die nicht in einem entsprechenden Verzeichnis enthalten gewesen sind.

 

Die Verwaltung hat diese Frage ergänzend auch noch bei den Bad Zwischenahner  Beitragstagen eingereicht. Die anwesenden Referenten unterstellten spontan, es sei der Stadt Bramsche nur darum gegangen, auf spätere Erschließungsbeiträge zu verzichten, was nicht zulässig sei.

Die Verwaltung sieht dieses differenzierter. Oberflächlich betrachtet könnte man zunächst wirklich meinen, der (alten) Stadt Bramsche sei es ausschließlich darum gegangen, möglichst viele Straßenanlieger von Beiträgen freizustellen. Bei näherer Betrachtung offenbart sich jedoch, dass, soweit das heute noch beurteilt werden kann, an all diesen Straßen seinerzeit auch wirklich schon Wohngebäude standen. Da § 14 der 57er Satzung und auch die vorhergehenden Bestimmungen den Bau von Wohngebäuden an unfertigen Straßen verboten, mussten im Umkehrschluss alle Straßen, an denen Wohngebäude errichtet werden durften oder schon vorhanden waren, fertig hergestellt gewesen sein. Insofern nimmt die Verwaltung an, dass beim Erstellen des Straßenverzeichnisses weniger beitragsrechtliche Aspekte eine Rolle spielten, sondern, dass man sich eher von der Frage leiten ließ, an welchen Straßen bereits Wohngebäude errichtet waren. Diese Straßen mussten dann, wegen des anderenfalls greifenden Anbauverbotes, zwangsläufig für die Erschließung der anliegenden Grundstücke ausreichend fertiggestellt gewesen sein.

Selbst wenn die Absicht, die Anlieger von Beiträgen freizustellen eine Rolle gespielt haben mag, so war es offenbar nicht das einzige Motiv. Das Straßenverzeichnis lässt nämlich durch das Abstellen auf vorhandene oder wenigstens zulässige Bebauung mit Wohngebäuden eine in sich logische und konsequente Systematik erkennen.   

 

Die Verwaltung teilt die Rechtsauffassung von Klausing und Klein. Auf den Ausbauzustand und somit auf die Erfüllung der Mindestanforderungen (Fahrbahn, Straßenentwässerung und Beleuchtung) kommt es nur an, wenn es keine eindeutige Willensbekundung der Gemeinde aus der Zeit vor Inkrafttreten des Erschließungsbeitragsrechts gibt. Dieses steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts. Nach herrschender Meinung ist die Willensbekundung der Gemeinde ein rein subjektiver Tatbestand, der nicht dadurch widerlegt werden kann, dass an einer Straße unter Umständen Teileinrichtungen fehlten, die an anderen Straßen seinerzeit schon vorhanden waren oder die Fahrbahn nicht hinreichend befestigt war. Der Wille der Gemeinde ist, was den für ausreichend erachteten Ausbauzustand angeht, unbeschränkt und somit unangreifbar.

 

Dafür spricht auch, dass die technischen Mindestanforderungen erkennbar auf das Jahr 1961 ausgerichtet sind, also auf Fälle, in denen es vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes kein Ortsstatut oder keine eindeutige Willensbekundung gab. Das PrFluchtlG stammt jedoch aus dem Jahre 1875 und das erste Ortsstatut der Stadt Bramsche aus 1896. Es ist nicht anzunehmen, dass Magistrat und Bürgervorsteherkollegium, die zu dieser Zeit im Einzelfall bestimmen durften, ob eine Straße fertig hergestellt war, ihre Entscheidung davon abhängig gemacht haben, dass in jedem Fall eine Straßenbeleuchtung vorhanden war, auch wenn es durchaus Hauptstraßen gegeben haben wird, die beleuchtet waren. Die von der Rechtsprechung erst viel später entwickelten Mindestanforderungen passen demnach nicht in diese Zeit.

 

 

II. Möglichkeiten einer rechtskonformen Übertragung auf die beigetretenen Ortsteile


Können in den übrigen Ortsteilen nachträglich Verzeichnisse mit vor dem 30.06.1961 vermutlich fertiggestellten Straßen aufgestellt werden?

Da Lenz und Johlen das Bramscher Straßenverzeichnis für unwirksam halten, stellte sich für diese Kanzlei die Frage nach einer möglichen Gleichbehandlung mit den übrigen Ortsteilen nicht. Da die Kanzlei selbst das 57er Bramscher Straßenverzeichnis für unwirksam hält, dürfte überdies klar sein, was sie von nachträglich aufgestellten Verzeichnisses halten würde.

Klausing und Klein führen aus, dass für die nachträgliche Aufstellung von Straßenverzeichnissen jegliche Grundlage fehlt und diese daher unzulässig sei. Die Verwaltung teilt diese Auffassung uneingeschränkt.

 

Kann das städtische Satzungsrecht so angepasst werden, dass Straßen in den übrigen Ortsteilen (z. B. der Stiegeweg), die vor dem 30.06.1961 schon in irgendeiner Form vorhanden waren, als fertiggestellt gelten, auch wenn sie nicht den Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung entsprechen?

Da Lenz und Johlen das Straßenverzeichnis für unwirksam halten, stellte sich für diese Kanzlei die Frage nach einer möglichen Gleichbehandlung mit den übrigen Ortsteilen nicht.

Klausing und Klein sind der Meinung, eine „Gleichbehandlung“ durch Anpassung des Satzungsrechts für die übrigen Ortsteile kommt nicht in Betracht. Die Erschließungsbeitragssatzung gilt für das gesamte Stadtgebiet.

Die Verwaltung legt die Ausführungen von Klausing und Klein dahingehend aus, dass eine entsprechende Regelung offenbar im Rahmen einer Änderung der allgemeinen Herstellungsmerkmale der Erschließungsbeitragssatzung erfolgen müsste, womit sie dann, im Sinne einer Gleichbehandlung, für alle Bramscher Straßen gelten würde.

 

Wollte man erreichen, dass eine nicht den Herstellungsmerkmalen der aktuellen Erschließungsbeitragssatzung entsprechende Straße die Herstellungsmerkmale der Satzung erfüllt, müsste man die Herstellungsmerkmale herabsetzen, bis sie von der Straße erfüllt werden. Bezogen auf den Stiegeweg würde das etwa bedeuten, dass die kunstgerechte Herstellung der Straßenentwässerung kein allgemein geltendes Herstellungsmerkmal mehr sein könnte. Das führt kraft Bundesrecht dazu, dass die insoweit entstandenen Kosten nicht zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand gehören. Die Kosten der Teileinrichtung Straßenentwässerung, wie sie bei einem kunstgerechten Ausbau anfallen, könnten dann generell nicht mehr in Form von Erschließungsbeiträgen auf die Anlieger umgelegt werden.

 

Da die niedrigeren Herstellungsmerkmale für alle Straßen gelten würden, hätte das zudem zur Folge, dass unter Umständen auch Baustraßen in Neubaugebieten diese niedrigen Anforderungen erfüllen könnten. Für den „wirklichen“ Endausbau dieser Straßen könnten dann keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. 

 

Folgerichtig müssen sich die Herstellungsmerkmale danach richten, welchen Standard endgültig hergestellte Straßen in der heutigen Zeit tatsächlich aufweisen. Geringere Herstellungsmerkmale würden der bestehende Beitragserhebungspflicht  widersprechen und sind daher unzulässig.

 

Fazit zu I. und II

Die an beide Kanzleien gerichteten Fragen sind sehr schwierig zu beantworten. Dass die Rechtsprechung zur Problematik der vorhandenen Erschließungsanlagen hauptsächlich auf Entscheidungen des PrOVG zurückgeht, die dann von den Oberverwaltungsgerichten in der Zeit nach Inkrafttreten des Erschließungsbeitragsrechts (1961) fortgesetzt wurde, erschwert die Sache zusätzlich.

 

Das Erschließungsbeitragsrecht genießt Vorrang vor dem Straßenausbaubeitragsrecht.

Es ist also zuerst immer zu prüfen, ob Erschließungsbeiträge festgesetzt werden können, was bei einer erstmaligen Herstellung einer Straße der Fall wäre. Die Pflicht, Erschließungsbeiträge zu erheben, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, verbietet dabei, leichtfertig und ohne hinreichenden Grund keine Erschließungs- sondern stattdessen Straßenausbaubeiträge zu erheben.

 

Die beiden Kanzleien vertreten in Bezug auf die Bedeutung des 57er Straßenverzeichnisses diametrale Ansichten. Die Verwaltung hält die Ansicht von Klausing und Klein für überzeugender und richtig.  Sie teilt, wie bereits ausgeführt, die Auffassung, dass die Stadt Bramsche 1957 das Recht hatte, Straßen für fertiggestellt zu erklären, die nicht den erst später durch die Rechtsprechung definierten Mindestanforderungen entsprachen. Der Wille der Stadt war entscheidend und unbeschränkt.. Die Verwaltung wird den durch das Straßenverzeichnis eindeutig dokumentierten Willen der Stadt weiterhin respektieren und diese Straßen als vorhandene Straßen im Sinne von § 242 BauGB ansehen.

 

Es gibt keine Möglichkeit, die besondere rechtliche Situation, die durch das Vorliegen des 57er Straßenverzeichnisses im Ortsteil Bramsche gegeben ist, in rechtskonformer Weise auf die übrigen Ortsteile zu übertragen. Hier gilt die ständige Rechtsprechung des OVG Niedersachsen, zuletzt bestätigt am 21.05.2012 – 9 LB 100/10, wonach als Mindestanforderungen für vorhandene Straßen vorausgesetzt wird, dass die Fahrbahn – in Form einer Deckschicht aus Asphalt, Teer, Beton, Pflaster oder ähnlichem Material – hinreichend befestigt ist und sich auf einem festen Unterbau befindet, und dass eine – wenn auch primitive – Straßenentwässerung, z. B. über offene Gräben, sowie eine Straßenbeleuchtung, die eine ausreichende Ausleuchtung der Straße und damit einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht, vorhanden sind.

 

Es wäre mit der Erschließungsbeitragserhebungspflicht schlichtweg nicht zu vereinbaren, wenn geringere Anforderungen gestellt würden, obwohl man um diese Rechtsprechung weiß.

 

In diesem Zusammenhang ist zudem auch darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung, ob es sich um eine vorhandene Straße handelt oder nicht, der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Jeder Beitragspflichtige hat also das Recht, den Beitragsbescheid daraufhin überprüfen zu lassen.

 

Die Verwaltung sieht leider keinen rechtskonformen Weg, der eine Gleichbehandlung aller Ortsteile ermöglichen würde, auch wenn das ohne jede Frage wünschenswert wäre.

 

III. Einschlägige Rechtsgrundlage für die Abrechnung des Stiegeweges

 

Entsprach die Straßenentwässerung des Stiegeweges (Straßenseitengräben) den technischen Mindestanforderungen, obwohl das Oberflächenwasser nicht gezielt über Rinnen und Abläufe in die Gräben geleitet wurde.

 

Lenz und Johlen halten der Straßenentwässerung dienende offene Seitengräben mit Hinweis auf eine Entscheidung des PrOVG für nicht ausreichend.

 

Klausing und Klein würden die Erfüllung der Mindestanforderungen nur anerkennen, wenn das Oberflächenwasser bei Herstellung der Anlage aufgrund eines geplanten Gefälles der Fahrbahn in die Straßenseitengräben abgeflossen wäre.

 

Die Verwaltung ergänzt hierzu, dass das von Klausing und Klein geforderte Gefälle durch das übliche Dachprofil der Fahrbahn erfüllt sein dürfte.

 

Lag der Stiegeweg im Bereich der jetzigen Innenbereichssatzung vor dem 30.06.1961 in der geschlossenen Ortslage?

 

Lenz und Johlen halten das für sehr zweifelhaft. Die Lücken zwischen den einzelnen Gebäuden (Stand 1961) waren doch recht zahlreich und, vor allem auf der Ostseite, sehr groß. Sie neigen deshalb der Auffassung zu, dass der Straßenteil durch eine im Außenbereich gelegene Splittersiedlung führte, also sich nicht in der geschlossenen Ortslage befand.

 

Klausing und Klein meinen, eine geschlossene Ortslage dürfte allenfalls hinsichtlich des nördlichen Teils (im Schreiben ist irrtümlich vom östlichen Teil die Rede, da der vorgelegte Lageplan nicht eingenordet war) des Stiegeweges zu bejahen sein. Rechtlich vertretbar dürfte allerdings auch sein, hier insgesamt von einer Splittersiedlung (also Außenbereich) auszugehen.

 

Eine Vorabüberprüfung durch die Verwaltung hatte zum Ergebnis, dass vor dem 30.06.1961 durchaus von einer geschlossenen Ortslage ausgegangen werden konnte.

 

Fazit zu III.

Die Kanzlei Lenz und Johlen hält es für zweifelhaft, dass sich der Stiegeweg bereits 1961 in der geschlossenen Ortslage befand. Die Kanzlei Klausing und Klein befürworten die geschlossene Ortslage allenfalls für den nördlichen Teil des Stiegeweges. Die Verwaltung ist zu einem anderen Ergebnis gelangt.

Allerdings erfüllte der Stiegeweg nicht die technischen Mindestanforderungen, da 1961 noch keine Beleuchtung  vorhanden war, sodass eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage des Vorliegens einer Ortslage entbehrlich ist.

 

Der Stiegeweg erfüllt nicht alle Voraussetzungen, die an eine vorhandene Erschließungsanlage zu stellen sind. Sollte der Stiegeweg ausgebaut werden, müssten hierfür also Erschließungsbeiträge erhoben werden.